NGOs im Social Web – die Digitalisierung gemeinnütziger Organisationen
Katrin Kiefer | 4. September 2014Seit sechs Jahren werden im Rahmen der Studie „NGOs im Social Web“ [1] die digitalen Aktivitäten deutscher gemeinnütziger Organisationen in sozialen Netzwerken untersucht. Im Fokus der Untersuchung stehen 60 ausgewählte Nonprofit-Organisationen aus den Themenbereichen „Umwelt- und Naturschutz“, „Internationale Aktivitäten“ und „Soziale Dienste“ [2], deren Social Media Angebote mit Hilfe einer quantitativen Inhaltsanalyse erfasst werden. Die Ergebnisse der jährlichen Erhebungen veranschaulichen die stete Digitalisierung von Nonprofit-Organisationen, die sich parallel zum Wachstum diverser sozialer Netzwerke vollzogen hat. Die Ausweitung der Social Media Präsenzen resultiert auch aus der zunehmenden Bedeutung sozialer Medien im Alltag vieler Menschen [3]. Denn mit dem Erfolg sozialer Netzwerke und dem Engagement vieler Online-Unterstützer haben die gemeinnützigen Social Media Angebote bislang zum Teil beachtliche Reichweiten erzielt.
NGOs im Wandel der Zeit
Zu Beginn der Erhebung im Jahr 2009 waren nur wenige Nonprofits im sozialen Netz aktiv. Die durchschnittliche Reichweite der Kanäle war, mit Ausnahme einzelner NGOs aus dem Themenbereich Umwelt- und Naturschutz, sehr gering. Die inhaltliche und strategische Ausrichtung der Social Media Kanäle erschien häufig unklar. Stattdessen vermittelten die Netzaktivitäten, auch aufgrund fehlender personeller und zeitlicher Ressourcen, den Eindruck einseitiger Informationsvermittlung. Eine differenzierte Stakeholderkommunikationfehlte gänzlich [4]. Heute dagegen verfügen immer mehr gemeinnützige Organisationen über Social Media Redakteure oder Community Manager zur Betreuung der digitalen Bezugsgruppen. Soziale Medien werden nicht mehr als kurzfristiger Trend betrachtet, sondern in vielen Kommunikationsabteilungen von Beginn an bei der Kampagnen- und Themenplanung bedacht. Den Akteuren ist klar, dass einzelne Social Media Dienste auch zukünftig eingestellt werden können, dass das Bedürfnis der Menschen nach Teilhabe und Mitgestaltung jedoch bestehen bleibt.
Social Media Präsenz von NGOs im Rückblick
Im Jahr 2009 [5] ist lediglich etwas mehr als die Hälfte der 60 ausgewählten NGOs im sozialen Netz aktiv. Der überwiegende Anteil der Nonprofit-Organisationen beschränkt seine Aktivität auf ein bis zwei Social Media Angebote mit Schwerpunkt auf die Plattformen YouTube und Twitter. Bereits zwei Jahre später wird das Social Web von mehr als 80 Prozent der untersuchten NGOs für die Kommunikationsarbeit eingesetzt [6]. Anfang des Jahres 2013 betreuen fast alle betrachteten gemeinnützigen Organisationen Social Media Profile, seit Juni 2013 sind alle 60 Organisationen im Social Web mit organisationseigenen Profilen vertreten. Die Mehrheit der NGOs betreut drei bis vier Social Media Plattformen parallel. Besonders intensiv eingesetzt werden Facebook, YouTube und Twitter.
Zusammengefasst beschreiben die Ergebnisse zwei parallele Entwicklungen:
- Immer mehr NGOs sind im Social Web aktiv.
- Die Anzahl der Social Media Kanäle einer einzelnen NGO nimmt zu.
Insgesamt hat sich das Engagement deutscher gemeinnütziger Organisationen im Social Web etabliert. So vielfältig wie die eingesetzten Social Media Plattformen sind auch die Einsatzgebiete sozialer Medien: über klassische Informationsarbeit und Stakeholderkommunikation bis hin zu Online-Fundraising, Online-Volunteering und Personalmanagement. Das Bewusstsein für die Bedeutung sozialer Medien ist bei mitgliederstarken Nonprofit-Organisationen angekommen, die im Fokus der Studie „NGOs im Social Web“ stehen.
Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung soll anhand Caritas Deutschland aufgezeigt werden. Bereits im ersten Untersuchungsjahr entwickelte die Organisation mit dem Blog „Soziale Manieren“ ein sehr gelungenes Social Media Projekt. Seitdem werden jährlich anknüpfend an die Jahreskampagne neue Blogprojekte ins Leben gerufen, diverse Social Media Profile gepflegt und – als verbindende Klammer – die Caritas-Webfamilie betreut. Gemeinsam mit internen und externen Stakeholdern wurde im Sommer 2011 eine Social Media Policy entwickelt. Im Sommer 2014 fand der Auftakt des digitalen Strategieprojektes auf den Weg zur Caritas 2.0 statt.
Die positiven Ergebnisse der Studie sind jedoch nicht auf den ganzen Sektor übertragbar. Besonders im Bereich der Sozialwirtschaft gibt es immer noch viele Organisationen, für die der digitale Wandel eine große Herausforderung darstellt [7]. Hier ist es Aufgabe der Zivilgesellschaft, der digitalen Spaltung zwischen den Akteuren entgegen zu wirken.
Herausforderungen für die Zukunft
Das zunehmende Engagement gemeinnütziger Organisationen im sozialen Netz verstärkt den Wettbewerb um digitale Aufmerksamkeit, Aktivierung von Stakeholdern zur Ressourcengewinnung aller Art und um die Legitimation des eigenen Handelns. Nonprofit-Organisationen müssen sich den Fragen zur strategischen Ausrichtung der Social Media Kommunikation und der Verortung der Online-Kommunikation und des Online-Fundraising innerhalb der Organisation stellen. Themen wie Social Media Monitoring und Krisenkommunikation werden immer relevanter. Insbesondere die Frage nach der Erfolgsmessung und langfristigen Wirkung des Social Media Engagements tritt in den Mittelpunkt. Prof. Dr. Annette Zimmer bekräftigte kürzlich in einem Interview, dass sich der Erfolg gemeinnütziger Organisationen nicht leicht quantifizieren lässt [8]. Für die Erfolgsmessung von Kommunikationsmaßnahmen in den sozialen Medien gibt es zwar bereits diverse Kennwerte, deren Übertragbarkeit auf gemeinnützige Organisationen und deren besondere gesellschaftliche Ziele ist jedoch schwierig. Vor dem Hintergrund wachender Ökonomisierung zivilgesellschaftlichen Handelns schlägt Zimmer (2014) deshalb vor, die positive Wirkung beispielsweise daran zu messen, „Menschen in die Lage zu versetzen, selbstständig zu handeln und aktiv Verantwortung zu übernehmen“. Im Hinblick auf die Digitalisierung gemeinnütziger Organisationen lässt sich der Ansatz weiterentwickeln, inwieweit das vielfältige Engagement im Social Web dazu beiträgt, dass sich Menschen für soziale Belange einsetzen, dass sie etwas bewegen und positiv verändern können. Umgekehrt stehen auch Nonprofit-Organisationen vor der Herausforderung, den digitalen Wandeln intern umzusetzen, wie das Beispiel der Caritas Deutschland dokumentiert. Inwiefern sind zivilgesellschaftliche Organisationen tatsächlich bereit, sich für Beteiligungsprozesse zu öffnen, traditionelle Organisationsstrukturen zu verändern und im Austausch mit internen und externen Stakeholdern das eigene Handeln zu reflektieren. Es sind viele kleine und große Aufgaben, die im gemeinsamen Austausch – persönlich und digital – angepackt werden können.
[1] Die Ersterhebung der Studie erfolgte im Rahmen der Masterarbeit „NGOs im Social Web. Eine inhaltsanalytische Untersuchung zum Einsatz und Potential von Social Media für die Öffentlichkeitsarbeit von gemeinnützigen Organisationen“ am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover im Jahr 2009. Die Daten aus dem Jahr 2014 (6. Durchgang) werden aktuell ausgewertet und fließen gemeinsam mit den Ergebnissen aus den Vorjahren in eine abschließende Publikation.
[2] Es wurden jeweils die 20 mitgliederstärksten Organisationen aus den drei Themenwirkungsfeldern „Umwelt- und Naturschutz“,“ Internationale Aktivitäten“ und „Soziale Dienste“ betrachtet. Für die Stichprobenauswahl wurden die Daten der Mitgliederdatenbank des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V. (VENRO) und der Beratungsstelle für private Träger in der Entwicklungszusammenarbeit[1] (BENGO) sowie das „NGO Handbuch“ vom greenpeace magazin (2007) hinzugezogen.
[3] Bitkom (2013). Soziale Netzwerke 2013. Dritte, erweiterte Studie. Eine repräsentative Untersuchung zur Nutzung sozialer Netzwerke im Internet. Verfügbar unter: http://www.bitkom.org/files/documents/SozialeNetzwerke_2013.pdf.
[4] Kiefer, Katrin (2010). NGOs im Social Web. Eine inhaltsanalytische Untersuchung zum Einsatz und Potential von Social Media für die Öffentlichkeitsarbeit von gemeinnützigen Organisationen. E-Book. Verfügbar unter: http://netzwerkpr.de/wp-content/uploads/2010/04/Kiefer_NGOs-im-Social-Web.pdf.
[5] Die Social Media Daten wurden jeweils im März eines jeden Jahres erhoben.
[6] Kiefer, Katrin (2013). Social Media Engagement deutscher NPO. In Markus Gmür, Reinbert Schauer & Ludwig Theuvsen (Hrsg.). Performance Management in Nonprofit-Organisationen. Theoretische Grundlagen, empirische Ergebnisse und Anwendungsbeispiele. Bern: Haupt.
[7] Meid, Maik (2014). Blogparade: Social Media Monitoring in der Sozialwirtschaft. Verfügbar unter: http://www.fundraisingnetz.de/blogparade-social-media-monitoring-sozialwirtschaft/.
[8] Fundraiser-Magazin (2014). „Die Rechtsformen sind nicht die Welt“. Interview mit Prof. Dr. Annette Zimmer. Verfügbar unter: http://fundraiser-magazin.de/index.php/interview-archiv/die-rechtsformen-sind-nicht-die-welt.html.